Herr Dr. Neubauer, ehemaliger Oberst der Reserve und Experte für Logistik im militärischen Sektor, begann seinen Vortrag damit, uns die geographischen und völkerrechtlichen Gegebenheiten der baltischen Region vorzustellen. Dabei lag ein besonderer Fokus auf den Seeräumen der jeweiligen Staaten, die in dieser Ecke der Welt sehr nah beieinander liegen und so ein hohes Konfliktpotential aufweisen. Sie sind durch einen schmalen Streifen ‘internationaler Gewässer’ voneinander getrennt, welcher es in der Theorie ermöglicht, von Russland durch internationalen Seeraum bis zum Oblast Kaliningrad zu reisen. Kaliningrad ist, so betonte Neubauer, selbst ein möglicher Brennpunkt, was die Außengrenzen der EU an der Memel angeht. Danach kam er auf die NATO-Präsenz im Baltikum zu sprechen, die seit langer Pause nun auch wieder eine kanadische Beteiligung in Europa beinhaltet.
Durch sein besonderes Fachwissen in der militärischen Logistik konnte uns Dr. Neubauer eindrücklich und von persönlichen Anekdoten geschmückt einen Einblick in die logistischen Herausforderungen im Baltikum geben. Diese reichten von Bedrohungen aus Kaliningrad bei einem Seetransport durch offene Gewässer bis hin zu einem nötigen Spurweitenwechsel der Eisenbahn beim Landtransport am Suwalki-Gap. Trotz dieser Hürden seien diese Transportwege für das Baltikum unerlässlich und eine Rückversicherung, die auch durch das “Military Schengen” garantiert würde.
Nach einer Definition es “Hybriden Kriegs” illustrierte Dr. Neubauer diese anhand von drei anschaulichen Beispielen. So werde mithilfe einer Facebook-Seite die territoriale Teilung Estlands auf Grundlage der russischsprechenden Bevölkerung gefordert. An anderer Stelle werde die “Jatwinger Autonomie”, die geographisch ungefähr im Suwalki-Gap liegt, in den Diskurs gebracht - eine mögliche Vorbereitung zur Instrumentalisierung des Narrativs, um einen Versorgungskorridor von Belarus nach Kaliningrad zu legitimieren. Der Vortrag endete mit dem eindrücklichen Beispiel des Untergangs der Fähre “Estonia” vor 29 Jahren, der bis heute ungeklärt bleibt. Dr. Neubauer betonte, dass es eine zivile Daueraufgabe für jede und jeden bleibe, die Resilienz unserer Gesellschaften im Angesicht einer sich ausweitenden hybriden Bedrohung zu stärken.
Vielen Dank, Herr Dr. Neubauer, für Ihren Besuch bei uns in Tübingen und ihre spannenden Einblicke in diesen wichtigen Themenbereich!